WeltverbrauchertagWo die Gefahren bei der Shopping-Tour im Netz lauern

Falsche Hinweise, irreführendes Design, untergejubelte Kredite: Wie können Konsument:innen beim Online-Einkauf vor unsicheren Praktiken geschützt werden? Anlässlich des Weltverbrauchertags klären Verbraucherzentralen über Risiken auf und fordern mehr Bewegung von der Regierung.

Zu sehen ist die Tastatur und Teil des Displays eines Laptops. Auf dem Screen ist ein Online-Shop mit Rabatt-Angeboten abgebildet. Eine Hand, die eine Kreditkarte hält, ruht neben dem Laptop.
Für Verbraucher:innen sollten beim Online-Shopping die gleichen Gesetze und Sicherheiten gelten wie beim klassichen Einkauf. – CC0 Negative Space

Seit fast einem Monat gilt EU-weit der Digital Services Act (DSA) für Anbieter digitaler Dienste. Verbraucherschützer:innen sowie die Bundesregierung heben anlässlich des Weltverbrauchertags am 15. März die weitere Sicherung hoher Standards hervor und möchten Verbraucher:innen über ihre Rechte und bestehende Risiken aufklären. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert von der Politik vor allem, Einkäufe im Netz sicherer und übersichtlicher zu gestalten – und geltende Gesetze durchzusetzen.

Ramona Pop, Vorständin des vzbv, erklärt: „Beim Online-Shopping setzen Händler auf verschiedene Maschen, um Verbraucher:innen dazu zu bringen, mehr und schneller zu kaufen – etwa durch ein bestimmtes Design oder vermeintlich günstige Preise. Auch Abzocke droht durch Fakeshops“.

Vor allem unerfahrene Nutzer:innen von Online-Plattformen wie Kinder oder Senior:innen sind gefährdet, von sogenannten „Dark Patterns“ beeinflusst zu werden. Das erläutert ein beim Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag erschienener Bericht. Dark Patterns sind Tricks, die Entscheidungen der Nutzer:innen manipulieren. Darunter fallen irreführende Designelemente, Voreinstellungen oder Hinweise – beispielsweise ein falscher Countdown, der zu einem schnellen Kaufabschluss drängen soll.

Neben Dark Patterns und Fakeshops – gemeint sind damit betrügerische Händler:innen im Netz – warnt der vzbv vor dem Konzept „Buy Now, Pay Later“. Manche Shops ermöglichen es Verbraucher:innen, ihren Einkauf später zu bezahlen. Dahinter stecken meist kostenpflichtige Kreditverträge von Drittanbietern. Für die Kund:innen fallen hohe Gebühren an oder die Aufnahme vieler Kredite führt dazu, dass sie den Überblick verlieren. So können sie schnell in eine Kostenfalle geraten und sich überschulden.

Der DSA soll Abhilfe schaffen

Viele solcher Risiken werden durch den DSA nun reguliert. Dark Patterns sind zum Beispiel auf Plattformen wie Amazon oder Zalando nicht mehr erlaubt. Allerdings fallen unter die vom DSA erfassten Digitalanbieter nur sogenannte „Vermittlungsdienste“. Dazu zählen die zuvor genannten Online-Shops, nicht aber die Online-Angebote klassischer Händler:innen wie beispielsweise H&M oder Lidl. Für diese gelten die Vorgaben nicht.

Das sieht der vzbv kritisch, der jegliche Dark Patterns als drängende Verbraucherärgernisse betrachtet. Ein Referent des Verbands erklärt außerdem gegenüber netzpolitik.org, dass die manipulativen Taktiken nicht grundsätzlich verboten seien. Vielmehr werde der EU-Kommission aufgetragen, Leitlinien zu der Frage zu erstellen, ab wann manipulative Praktiken als Dark Patterns im Sinne des DSA zu verstehen seien.

Der Digital Services Act gibt weiterhin vor, dass Dienste Beschwerdeverfahren bereitstellen müssen, um Verstöße auf ihren Plattformen zu melden. Über eine zentrale Kontaktstelle müssen die Anbieter direkt, schnell und benutzerfreundlich erreichbar sein. Auch ist es verpflichtend, dass ein nicht-automatisiertes Kommunikationsmittel angeboten wird: Ein Chatbot reicht nicht aus. Hat ein Unternehmen keinen Sitz in der EU, muss es Vertreter:innen innerhalb der EU benennen, die mit zuständigen Behörden zusammenarbeiten.

Personalisierte Werbung darf nicht mehr auf sensiblen personenbezogenen Daten basieren, zu denen unter anderem Informationen über die politische Einstellung, religiöse Überzeugung oder die sexuelle Orientierung gehören. Persönliche Daten von Minderjährigen dürfen gar nicht genutzt werden, um Werbung auszuspielen. Allerdings, das hebt der vzbv hervor, dürfen all diese Daten nach wie vor verarbeitet werden, bloß die Nutzung zur Ausspielung der Werbung ist untersagt.

Grundsätzlich soll der DSA für mehr Transparenz sorgen. Allgemeine Geschäftsbedingungen dürfen nicht unnötig kompliziert geschrieben sein: jeder und jede sollte sie verstehen können. Entscheidungen, Inhalte zu löschen oder online zu lassen, müssen offen und einfach erklärt werden. Die Anbieter der digitalen Dienste müssen außerdem offenlegen, woher geschaltete Werbung stammt und wer sie finanziert hat. Die Systeme, auf denen Empfehlungen und Vorschläge für weitere Posts und Produkte basieren, müssen ebenfalls für die Nutzer:innen nachvollziehbar sein.

Wichtig für alle, die im Netz einkaufen möchten, sind vor allem die besonderen Pflichten für Online-Marktplätze. Anbieter solcher Plattformen müssen dank DSA sicherstellen, dass grundlegende Informationen über Händler:innen, die über den Dienst verkaufen, vorliegen und für potenzielle Kund:innen leicht zugänglich sind. Außerdem stehen die Online-Marktplätze in der Verantwortung, zum Verkauf stehende Produkte auf Rechtsverletzungen zu überprüfen.

Deutsche Umsetzung der EU-Verordnung

Obwohl der DSA als Verordnung unmittelbar in der gesamten EU gilt, hatten die EU-Mitgliedsstaaten bis Mitte Februar noch einige Hausaufgaben zu erledigen, insbesondere die Klärung der Aufsichtsfrage. Die Frist hat die Bundesregierung jedoch verpasst, derzeit liegt das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) noch im Bundestag und dürfte erst im April endgültig verabschiedet werden.

Klar ist aber inzwischen, dass hauptsächlich der Bundesnetzagentur die Rolle der Aufsicht zufallen wird. Diese soll sicherstellen, dass die Vorgaben des DSA eingehalten werden. Auch für die Bußgeldverfahren bei Regelverstößen ist sie zuständig. Das Bundeskriminalamt ist als zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte vorgesehen. Den Schutz von Minderjährigen im digitalen Raum werden die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz und Landesmedienanstalten überwachen.

Grundsätzlich begrüßt der vzbv die EU-Verordnung, um digitale Dienste zu regulieren. In einer Stellungnahme, die auf den ersten Geltungstag des europäischen DSA folgte, lobte Lina Ehrig, Leiterin des Teams Digitales und Medien beim vzbv: „Verbraucher:innen bekommen mit dem Digital Services Act nun konkret festgeschriebene Rechte, um sich gegen Hasskriminalität, Fakeshops oder den Verlust der Privatsphäre auf Plattformen zu wehren.“

Es ist noch nicht alles für Verbraucher:innen getan

Ehrig fordert jedoch, dass die Plattformen konkrete Beschwerdeverfahren bereitstellen müssten. Zudem müssten Online-Marktplätze viel genauer prüfen, was auf ihren Plattformen verkauft wird, so die Verbraucherschützerin. Zwar regelt der DSA unter anderem diese Dinge. Doch so gut viele der Vorschriften seien, stünden und fielen die Regeln mit einer funktionierenden Aufsicht und Durchsetzung, mahnt Ehrig.

Dabei macht Ehrig konkreten Verbesserungsbedarf aus: Es müsse etwa klargestellt werden, dass die Koordinierungsstelle die alleinige Vertretung Deutschlands im europäischen Gremium übernehme. Dort treffen sich regelmäßig die Aufseher:innen aus den EU-Ländern, um ihre Arbeit besser abzustimmen. Ehrig plädiert ferner dafür, die zentrale Beschwerdestelle möglichst nutzerfreundlich zu gestalten.

Bis alle Gesetze den Schutz der Verbraucher:innen garantieren, setzt der Verbraucherzentrale Bundesverband zusätzlich auf Aufklärung und Information. Die Zentralen bieten einen Fakeshop-Finder an und veröffentlichen regelmäßig Artikel, die Kundenrechte einfach verständlich aufbereiten. In einer Folge des Podcasts „genau genommen“ teilen sie Tipps, um die Risiken beim Online-Shopping zu minimieren. Nun – pünktlich zum Weltverbrauchertag – veranstaltet der Verband eine Reihe von Online-Vorträgen, denen man beiwohnen kann, wenn man sich zu den Themen “Fakeshops“ und “Buy Now, Pay Later“ informieren möchte.

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